Wilde Mischungen statt Bier pur
Herzog Wilhelm IV. hätte «Caiman» wohl wieder ausgespuckt: Das mit Limette, Rohrzucker und Rohrzuckerschnaps-Aroma versetzte Bier hat mit seinem fast 500 Jahre alten Reinheitsgebot nicht mehr viel zu tun. Doch neuerdings scheint im Gerstensaft alles zu landen, was den Herstellern in die Finger kommt - ob Limonade, Cola, Apfel, Wodka, Tequila oder Grapefruit.
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Der Klassiker unter den Biermixgetränken - Radler oder Alsterwasser sind seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil jeder Getränkekarte. |
Die alten Brauer kriegen die Gänsehaut», sagt Udo Franke, Sprecher der Holsten-Brauerei in Hamburg, die unter unterschiedlichen Marken inzwischen acht Bier-Mixgetränke verkauft. Aber wer von dem neuen Trend profitieren will, muss kräftig mitmischen.
Allein in den vergangenen drei Jahren hat sich der Markt der Biermischgetränke fast verdoppelt. Während 1998 noch 1,2 Millionen Hektoliter produziert wurden, waren es nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) in Bonn im Jahr 2001 schon 2,2 Millionen. Inzwischen besitzen die Mixgetränke einen Marktanteil von mehr als zwei Prozent am gesamten Biermarkt - schon bald dürften sie damit traditionelle Biersorten wie Kölsch, Alt und Alkoholfreies überholen. «Eine weitere Verdoppelung ist locker drin», sagt Franke.
Flippige Werbung, moderne Longneck-Flaschen und Produktnamen wie «X²», «Joy's», «Bipop» oder «Cooler» zielen vor allem auf die junge Generation. «Das ist Szene-Bier», sagt Gilles Seifert, Sprecher der Karlsberg-Brauerei in Homburg. «Die jungen Leute wollen sich damit von den Erwachsenen unterscheiden.»
Auch der Bier-Importeur Wolfgang Stark vom «Haus der 131 Biere» in Hamburg hält das für den entscheidenden Grund: «Die Generation mit dickem Bierbauch, Hosenträgern und Kleingarten ist lange ausgestorben. Die Jungen wollen etwas Besonderes.» Vor allem in Kneipen, Diskos und Tankstellen sind die neuen Getränke beliebt - obwohl sie meist teurer als normales Bier sind. «Das ist eine extrem kultige Geschichte», sagt auch Rainer Petersen von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg.
Dabei ist es eigentlich keine neue Idee, Bier mit anderen Getränken zu mischen. In Kneipen sind Radler oder Alster seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Getränkekarte. Doch erst eine Gesetzesänderung im Jahr 1993 machte es möglich, diese Mischungen auch gebrauchsfertig in Flaschen und Dosen anzubieten.
Ein Mix mit Zitronenlimonade gehört inzwischen zum Sortiment der meisten großen Brauereien. Und immer beliebter wird die Kombination aus Bier und Cola - meist mit einer dritten Zutat, die den speziellen Charakter des Produktes ausmachen soll. In «Veltins Cola» etwa kommt ein Schuss Zitrone, in Krombachers «Cab» die in Mittel- und Südamerika wachsende Drachenfrucht, und das «MiXery» von Karlsberg besteht aus Bier, Cola und X - wofür das X steht, gibt die Brauerei nicht preis.
Die neue Mixwelle kommt den deutschen Brauern gerade recht. Schon seit Jahrzehnten ist der Bierkonsum rückläufig. Während 1970 jeder Bundesbürger im Schnitt noch 141 Liter im Jahr getrunken hat, waren es 2001 nur noch 123 Liter. Allgemein geht der Trend zu weniger Alkohol. Die Hersteller kommen dem entgegen, die meisten Mischgetränke enthalten nur zwei bis drei Volumenprozent. «Wer abends weggeht, hat viel Spaß, aber weniger Promille», sagt Birte Kleppien, Sprecherin des Brauer-Bundes. Doch auch zu Hause werden die Mischgetränke immer belieber. Haushalte, die früher Cola gekauft haben, kaufen jetzt überdurchschnittlich oft Cola-Bier-Getränke, stellte die GfK fest.
Weil das Geschäft so gut läuft, trauen sich die Brauer immer mehr. Die Königsbacher Brauerei in Koblenz bietet mit «Seccolo» ein Bier-Sekt-Gemisch an. Im «Haus der 131 Biere» gibt es neben Hanf-Bier und Sellerie-Bier auch Serengeti-Bier, das nach einem Rezept aus Tansania mit Banane, Mango und Palmextrakt gemischt wird. Und die Hamburger Marke Astra kam mit «Astra Sünde» auf den Markt, einem Bier, das die Kräuter Damiana, Ginseng und Schizandra enthält, denen Naturvölker aphrodisierende Wirkung zusprechen sollen.
Allein Karlsberg wirft nach eigenen Angaben jedes Jahr 100 neue Produkte auf den Markt. «Wenn nur zwei davon erfolgreich sind, hat sich das gelohnt», sagt Sprecher Seifert. Und falls der Trend irgendwann nachlassen sollte, hat die Brauerei auch bereits ein Produkt im Sortiment: «Blondes», ein von Bitterstoffen befreites, pures Bier. Laut Eigenwerbung ideal «für die jungen Wilden, denen die ständigen Mix-Kompromisse auf die Geschmacksnerven gehen.»
Auch Cocktails unterliegen Modetrends
Wenn die Temperaturen steigen und die Nächte lauer werden, dann verlangt auch der Gaumen nach sommerlichen Drinks. Was den Kinder der Milchshake, ist Erwachsenen dann oft ein Cocktail. Viele trinken seit Jahren den immer gleichen Favoriten. Wahre Trendsetter gehen jedoch auch bei den Cocktails mit der Mode. | ||
«Absoluter Renner ist nach wie vor die Caipirinha», sagt Marc Ciunis, Inhaber der «Ciu-Bar» in Hamburg. Die ursprünglich aus Brasilien stammende Mischung aus Limetten, Zuckerrohrschnaps und Eis sei der derzeit meistverkaufte Cocktail in Deutschland - im Sommer wie im Winter. Das bestätigt auch Helmut Schwarz, Hauptgeschäftsführer der Barkeeper-Union Berlin und Umgebung. Für ihn ist die Caipirinha «das Bargetränk des vergangenen Jahrzehnts». Hoch im Kurs an den Bartresen ständen aber auch Klassiker wie Daiquiri, Planter's Punch und Mojito, sagt Schwarz. Oft bekommen die Klassiker in der warmen Jahreszeit dabei einen eisigen Kick: «Im Sommer sind die Frozen-Cocktails dran», sagt Marc Ciunis. Frozen-Margaritas, -Daiquiris oder -Coladas hätten dank der besonderen Zubereitung im elektrischen Mixer eine schneeartige Konsistenz - «ungefähr so wie ein Sorbet», erklärt Ciunis. «Dadurch bleiben die Frozen-Drinks auch an heißen Tagen kalt». Geschmacklich würde dabei die fruchtige Richtung bevorzugt. Die Barexperten experimentieren allerdings immer wieder mit neuen Aromen und Zutaten: «Es kommt zum Beispiel jetzt ein Kastaniensirup auf den Markt», erzählt Helmut Schwarz. Generell unterstütze die Entwicklung verschiedener Sirups mit neuen Geschmacksrichtungen auch Veränderungen im Cocktail-Bereich. So sei beispielsweise auch ein Sirup mit Havanna-Rum-Geschmack erhältlich. Dieser schmecke nach Rum, enthalte aber keinen oder wenig Alkohol. Cocktails würden dadurch weniger hochprozentig: «Der Trend geht in Richtung leichter alkoholisierter Getränke», beobachtet Schwarz. Pandan heißt die neue, aus Palmblättern gewonnene Zutat, die Cocktail-Liebhaber diesen Sommer in «Harry's New York Bar» in Berlin neugierig machen soll: «Die Palmblätter werden mit Milch oder Sahne gekocht, wir stellen dann einen Sud daraus her, der die Geschmacksstoffe der Palmblätter übernimmt», so Andreas Lanninger, Barmanager von «Harry's New York Bar». Anschließend könne der Sud mit anderen Zutaten zu exotischen Drinks gemixt werden - etwa dem alkoholfreien «Harry's Pandan». Dabei handle es sich um eine Mischung aus Havanna-Sirup, einem Schuss frischen Zitronensaft, Ananassaft, einem Spritzer Sahne und Pandan-Milch. Italienisch mutet dagegen die neue Kreation der Tagesbar im «Schumann's» in München an: Barchef David di Matteis empfiehlt den «Resveglio di Primavera», auf Deutsch «Frühlingserwachen». Dafür würden Wodka, Aperol, pürierte Ananas, frisch gepresster Orangensaft und Zitronensaft in einem Shaker vermischt und in einer Cocktailschale serviert. Charles Schuhmann, Inhaber der Prominentenbar, betont jedoch, dass das «Schumann's» als klassische Bar keinen Trends folgt - es sei denn, ein Trend entwickle sich wie die Caipirinha zum Klassiker. Wiederum in eine ganz andere Richtung geht die Cocktail-Empfehlung von Martin Peters von der «Luna Bar» in Frankfurt/Main. In den USA schon seit Jahren populär, werde in diesem Jahr auch in Deutschland der Cranberry-Saft eine große Rolle spielen: «Es handelt sich hierbei um einen Kulturpreiselbeersaft, der erfrischend säuerlich schmeckt». Drinks auf Cranberry-Basis sind laut Peters unter anderem der aus Cranberry-Saft und Wodka-Grapefruit gemixte «Seabreeze» oder der «Sex on the Beach». Favorit unter den Cranberry-Cocktails sei jedoch der «Cosmopolitan», der durch die US-Fernsehserie «Sex and the City» auch in Deutschland bekannt wurde. Er enthält neben dem Fruchtsaft unter anderem auch Wodka. Serviert wird er in einer gefrorenen Cocktailschale, die vorher mit Zitronenzeste - dünn abgeschälter Zitronenschale - abgerieben oder abgespritzt wird, so Peters. Wer solche modischen Drink-Experimente scheut, kann aber ruhig auch weiterhin Altbewährtes aus der Cocktail-Karte bestellen. Mit einer Caipirinha etwa kann kaum etwas schief gehen - außer man spricht der hochprozentigen Mischung ein bisschen zu viel zu. Dann droht am folgenden Morgen ziemlich sicher ein schwerer Kopf. 107 gute Gründe, warum ein Bier besser als eine Frau ist:
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