Was Gästen im Restaurant erlaubt ist
Der größte anzunehmende Unfall lauert am Schluss. Wenn beim Abräumen der Teller der Gast auf die Frage «Waren Sie zufrieden?» zur jähen Verblüffung des Personals mit «Nein» antwortet, hat nicht nur die Küche versagt. «So etwas darf nicht passieren», sagt Anneli Gabriel von der Schulungsabteilung der Hotelkette Steigenberger in Frankfurt.
Denn dann habe die «Kommunikation» zwischen Kunde und Service von Anfang an nicht gestimmt. Dass solcherlei Erschrecken am Ende des Mahls immer wieder vorkommt, liegt aber nicht nur an fehlender Aufmerksamkeit der Servierkräfte, sondern ist oft auch Schuld des Gastes. «Die gastronomische Vielfalt ist in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen und zieht immer breitere Kreise an», hat zwar Marc Schnerr vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) in Berlin beobachtet. Doch durch alle diese Kreise hindurch haben viele Gäste offenbar Hemmungen, ihre Wünsche und Bedürfnisse klar an den Kellner zu bringen. «Bei jedem Auto- oder Möbelkauf wird präziser bestellt als im Restaurant», klagt der Stilberater Jörg Kracht aus Zippelsförde in Brandenburg. Sein Appell lautet deshalb: «Sagen Sie auch in der Gastronomie immer genau, was Sie wollen. Haben Sie keine Scheu vor Extrawünschen. Und sagen Sie vor allem sofort, wenn etwas nicht stimmt.»
Ob bei der Reservierung ein bestimmter Tisch gewünscht wird, das Menü nicht in allen Zutaten gefällt, eine Beilage zusätzlich bestellt wird oder der Wein nur glasweise ausgeschenkt werden soll - diese Bitten sind in einem Haus, das etwas auf sich hält, keine Zumutung, sondern das Eingehen darauf eine Selbstverständlichkeit. «'Geht nicht', gibt es nicht», sieht deshalb Trainerin Gabriel als einen der wichtigsten Grundsätze im Gastgewerbe.
«Der Gast ist König, so lange er sich kaiserlich verhält», wandelt Alexandros Sistakos vom «Doc Cheng's» in Hamburg eine weitere einschlägige Redensart ab. Sistakos ist Leiter des Restaurants mit euro-asiatischer Küche im renommierten Hotel «Vier Jahreszeiten», und auch er fordert zu großer Mitteilsamkeit auf: «Geben Sie uns schon bei der Reservierung so viele Informationen wie möglich - ob etwa ein Geburtstag oder Hochzeitstag gefeiert werden soll.»
«Egal, was der Gast wünscht», sagt Etikette-Kenner Kracht, selbst Serviermeister und erfahrener Ausbildungsprüfer, «Belehrungen oder hochgezogene Augenbrauen sind für das Servicepersonal auf jeden Fall tabu.» Falls es zum Steak unbedingt die Dillsahne des Fischgerichtes sein soll - bitte sehr. Anneli Gabriel sieht hier allerdings den Punkt erreicht, an dem «der Küchenchef noch einmal nachfragen würde, ob der Gast sich sicher ist.» Schließlich gebe es einen Ruf zu verlieren, wenn das ausgelieferte Gericht gar nicht harmoniert. «Wir haben einmal ein Menü komplett salzlos gekocht wegen einer Salzallergie», verdeutlicht Sistakos, was alles möglich ist, so lange der Gast nur sein Begehr äußert. Vegetarische Varianten, ein Austausch der Beilagen oder halbe Portionen seien ebenfalls in der Regel kein Problem. Wobei man bei halben Mengen anschließend nicht mit genau halbierten Preisen rechnen sollte, warnt Kracht. Der Aufwand in der Küche sei für den «Seniorenteller» der selbe. Falls die aufgetischten Speisen trotzdem nicht zufrieden stellen, sollte gleich, nach wenigen Bissen, reklamiert werden. Den Teller leer zu essen und danach zu behaupten, das Fleisch sei völlig versalzen gewesen, hält Sistakos für schlechten Stil - und auch für unglaubwürdig. |